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Fachartikel
13.12.2023

Der Netzanschluss als Bottleneck der Energiewende?

Lesedauer:
6 min

Herausforderungen und Lösungen beim Netzanschluss von Batteriespeichern in Verteilnetzen

Deutschland macht große Fortschritte in der Energiewende: 142 Gigawatt an Erneuerbare-Energien-Anlagen sind bereits am Netz, mehrere Hundert Gigawatt sind in Planung. So gut diese Neuigkeiten für das Erreichen der Klimaziele auch sind: Für das Stromnetz wird der Ausbau der Erneuerbaren zur Belastungsprobe. Da ihre Erzeugung je nach Wetter, Tages- und Jahreszeit schwankt, kommt es zu Über- oder Unterproduktionen von Strom. Das Netz wird volatiler; Lastströme, Frequenz und Spannung müssen stärker reguliert werden. Mit jedem zusätzlichen Gigawatt erneuerbarer Energie wird die Eingliederung ins Netz komplexer. 

Ohne Batteriespeicher scheitert die Energiewende 

Damit das Stromsystem auch künftig funktioniert, müssen Markt und Netz deutlich flexibler werden. Dafür sind kostengünstige Kurzfrist-Speicherlösungen wie netzgekoppelte Batteriegroßspeicher unverzichtbar. Sie leisten bereits heute einen großen Beitrag zur Stabilität der Stromnetze und ermöglichen es mehr erneuerbare Energien zu integrieren. Doch der aktuelle regulatorische Rahmen erschwert den netzdienlichen Einsatz noch immer und einige technischen Potenziale bleiben weiterhin ungenutzt.

Damit Speicher diese Potenziale richtig ausschöpfen können ist insbesondere der Netzanschluss ein ausschlaggebendes Kriterium. Derzeit bestehen jedoch grundsätzliche Regelungslücken für die Integration von Speicherprojekten, die es zu schließen gilt:
1.      Netzanschlüsse von Speichern werden nur verzögert bearbeitet oder müssen sogar verweigert werden, da Netzkapazitäten ein knappes Gut darstellen. So können für die Energiewende sinnvolle Speicherstandorte nicht weiterentwickelt werden.

2.     Fehlende, eindeutige Regelungen zur Einbindung von Speichern in die Prozesse von Netzbetreibern können operative Probleme von Netzbetreibern verschärfen.

Hohe Auslastung der Netze

Grundsätzlich könnten Speicher eine unterstützende Rolle bei der Integration erneuerbarer Energien auf regionaler Ebene spielen. Insbesondere dezentrale Speicher haben das Potenzial, einen wertvollen Beitrag zur kostengünstigen und sicheren Umsetzung der Energiewende zu leisten. Doch die Netzkapazitäten werden immer rarer. Durch die unverzüglich und vorrangig anzuschließende Anschlussanfragen gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), vor allem im Bereich von Photovoltaik-Anlagen, sind die deutschen Verteilnetze derzeit sehr stark ausgelastet.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es also dringend notwendig, entweder die Kapazitäten für den Netzanschluss von Speichern durch den Ausbau des Netzes zu erhöhen oder Speicher so zu positionieren und zu betreiben, dass sie netzdienlicher agieren können. Dies würde dazu beitragen, die bestehenden Netze effizienter zu nutzen und somit zusätzliche Kapazitäten für die Integration erneuerbarer Energien zu schaffen.  

Obwohl der Netzausbau an vielen Orten bereits intensiv vorangetrieben wird, sind die entstehenden Kapazitäten oft bereits für spezifische Erzeugungsprojekte reserviert. Gleichzeitig konkurrieren Speicher auch auf der Verbraucherseite um Netzkapazität, bedingt durch die steigende elektrische Nachfrage in Haushalten, Gewerbe und Industrie.

Hürden beim Netzanschluss von Speichern

Viele Netzbetreiber sehen schon heute den Mehrwert von Speichern, allerdings gibt es für den Einsatz noch viele regulatorische sowie operative Hürden, die es zu überwinden gilt.

1. Speicheranlagen könnten für zusätzliche entschädigungspflichtige Redispatch-Maßnahmen sorgen, wenn sie bestehende Engpässe gemäß den marktlich festgelegten Fahrplänen verschärfen würden.  

2. Im aktuellen regulatorischen Umfeld ist eine Vergütung für den netzdienlichen Einsatz für den Netzbetreiber nur unter negativen wirtschaftlichen Folgen möglich. Diese Kosten werden den operativen Kosten des Netzbetreibers zugeordnet und unterliegen aufgrund regulatorischer Vorgaben keiner Anpassung innerhalb einer Regulierungsperiode.  

3. Die Prognose der Netzbelastung durch Speicheranlagen gestaltet sich schwierig, da der Einsatz aufgrund einer kombinierten Regelleistungs- und Spotvermarktung kaum von Netzbetreibern vorhergesagt werden kann. Dies hat zur Folge, dass Speichern netzplanerisch zu jedem Zeitpunkt sowohl die volle positive als auch negative Einspeisung unterstellt wird. Entsprechende Reserven müssen im Netz vorgehalten werden.

4. Selbst pragmatische IT-Lösungen sind aufgrund der Herausforderungen bei der Implementierung der Redispatch 2.0-Prozesse als kritisch anzusehen und erfordern einen erheblichen Aufwand.

Gemäß §8 EEG unterliegen regenerative Erzeugungsanlagen der Netzanschlusspflicht. Diese Verpflichtung gilt jedoch nicht für Speichersysteme. Der Netzanschluss für Speicher wird daher aktuell nur dann gewährt, wenn er betriebsbedingt möglich und zumutbar ist. Zusätzlich fehlt vielen Netzbetreibern die Erfahrung im Umgang mit Speichern, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Engpasssituationen in den Verteilnetzen. Es besteht Unsicherheit darüber, ob und unter welchen Bedingungen der Anschluss von Speichern betriebsbedingt möglich und zumutbar ist.

Die Hervorhebung der Risiken im Entscheidungsprozess der Netzbetreiber führt dazu, dass Netzanschlussanfragen derzeit eher negativ beantwortet werden. Die zeitliche Verfügbarkeit des Netzanschlusses und zu hohe Netzanschlusskosten sind die Hauptgründe für das Scheitern von Batteriespeicherprojekten.

Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit die regionalen Vorteile von Speichern in stark regenerativ geprägten Netzen genutzt werden können.

Lösungsansätze zur Optimierung der Netzintegration von Speichern

Um Speicher vorteilhaft im Verteilnetz zu nutzen, müssen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Im Folgenden werden einige Maßnahmen vorgestellt, die dazu beitragen sollen, den Anschluss von Speichern zu erleichtern und so ihre positive Wirkung zu maximieren.

Verbesserter Netzanschlussprozess

Speicher, die systemdienlich agieren, sollten genau wie Erneuerbare-Energien-Anlagen einen beschleunigten und bevorzugten Netzanschluss erhalten (ähnlich dem § 8 EEG 2023), um ihr Potenziale schnellstmöglich nutzen und Ihren Beitrag zur Energiewende maximieren zu können. Dafür ist es notwendig, klare Kriterien und Verfahren festzulegen. Diese könnte unter anderem die Speicherkapazität, die Reaktionsgeschwindigkeit bei Anforderungen durch den Netzbetreiber, die Vorgabe von Gradienten der Leistungsänderung beim Vermarkten am Spotmarkt, die Stabilität des Netzanschlusses und andere technische Merkmale beinhalten.

Um schnell transparente und klare Regelungen für den Netzanschluss und den markt- und netzdienlichen Einsatz von Speichern umzusetzen, schlägt Kyon Energy eine Energiespeicheranlagen-Netzanschlussverordnung (SpeicherNAV) vor. Genau wie die Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) die technischen Mindestanforderungen für den Anschluss von Kraftwerken an das Höchstspannungsnetz und deren Betrieb am Netz regelt, könnte eine SpeicherNAV die Besonderheiten von Speichern beim Netzanschluss regeln und die oben genannten Hürden beseitigen.  Neben der Beschleunigung des Netzanschlusses und der Definition von netzdienlichen Betriebskonzepten, sollten auch wirtschaftliche Aspekte wie die faire Kostentragung beinhaltet sein.

Nutzung von Speichern im Engpassmanagement

Speicher können einen positiven Beitrag zur Vermeidung von Engpässen leisten. Einerseits, indem sie dazu beitragen Engpasssituationen bereits präventiv zu entschärfen und so die Menge an Redispatch zu reduzieren, andererseits indem sie auch in der Behebung eines Engpasses eingesetzt werden und das mit vergleichsweise geringeren Kosten als EE-Anlagen (Voraussetzung: Auswahl der Anlagen anhand gemeinsamer Merit-Order des Netzbetreibers).

Die Integration von Speichern in den Redispatch-Prozess kann somit zu einer Senkung der Kosten des Engpassmanagements führen und langfristig durch eine Änderung des regulatorischen Rahmens auch in der Bilanz von Verteilnetzbetreibern positive Auswirkungen haben.

Derzeit diskutierte Redispatch-Ansätze (z.B. komplementärer marktbasierter Redispatch), welche Speicher mit einbeziehen, gehen von einer gemeinsamen Merit-Order von Nachfragern, Speichern und Erzeugungsanlagen (einschließlich EE-Anlagen) aus. Speicher werden nur dann in den Redispatch einbezogen, wenn deren Aktivierung im Redispach kostengünstiger ist als die Nutzung anderer Optionen, wie beispielsweise die – leider - häufig praktizierte Abregelung von EE-Anlagen.

Auflösung von Redundanzanforderungen für Speicher in Planung und Betrieb

Genau wie bei erneuerbaren Energieanlagen stellen marktgeführte Großspeicher keine erhöhten Anforderungen an die Versorgungssicherheit. Dies eröffnet die Möglichkeit, das n-1-Kriterium auf der Bezugsseite operativ aufzulösen und somit bestehende Strukturen zu verschlanken und zu vereinfachen.

Das n-1-Kriterium bezeichnet den Grundsatz, dass im Falle eines Ausfalls einer Komponente im Stromnetz die Versorgung weiterhin gewährleistet ist. Normalerweise erfordert dies redundante Systeme und Betriebsmittel, um einen unterbrechungsfreien Betrieb sicherzustellen. Für marktgeführte Großspeicher ist dieses Kriterium jedoch nicht zwangsläufig erforderlich. Aufgrund ihrer flexiblen Reaktion und Anpassungsfähigkeit an den Energiebedarf werden diese Speicher nicht als potenzielle Quelle für Versorgungsunterbrechungen betrachtet. Bereits heute werden bei der Anbindung von Speichern oft Schaltanlagen oder Leitungen nicht redundant ausgelegt, um die bestehenden Betriebsmittel effizienter zu nutzen. Allerdings plant und betreibt der Netzbetreiber seine Netze auf Grundlage von Ausfallrechnungen (n-1), wobei häufig die gesamte Einspeicherung bzw. Ausspeicherung von Speichern berücksichtigt wird.

Es ist technisch möglich, das n-1-Kriterium im Betrieb von marktgeführten Großspeichern aufzulösen. Dies gilt nicht nur für die Erzeugungsseite, sondern auch die Nachfrageseite des Speichers. Die operative Auflösung des n-1-Kriteriums für marktgeführte Großspeicher erleichtert ihre Integration in das Stromnetz und fördert die Nutzung dieser Speichertechnologie zur Unterstützung der Energiewende. Es ist jedoch wichtig, dass Sicherheitsaspekte weiterhin berücksichtigt werden, um eine zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten. Dazu sind zusätzliche angewandte Untersuchungen, beispielsweise in Form von Pilotprojekten, sinnvoll.

Netzentgeltbefreiung

Vor wenigen Wochen hat der Gesetzgeber den Weg für die Fortsetzung der Netzentgeltbefreiung für Speicher um weitere drei Jahre freigemacht. Speicher, die bis 2029 ans Netz gehen, können dann mit einer Netzentgeltbefreiung über 20 Jahre rechnen, was einen wirtschaftlichen Betrieb zulässt. Ohne Anpassung wären Speicher mit Netzanschluss nach 2026 voll netzentgeltpflichtig geworden, was die Entwicklung neuer Projekte schon heute zum Erliegen gebracht hätte.

Das Jahr 2029 wirkt noch weit entfernt, doch faktisch sind “nur” drei Jahre in der Diskussion gewonnen, die dringend für eine dauerhaft tragfähige Lösung gebraucht werden. Klar ist auch, dass der Bundesnetzagentur bei der Findung einer dauerhaften Lösung eine Schlüsselrolle zukommen wird. Es sind aber genau die hier beschriebenen Vorteile nicht nur für die Volkswirtschaft als Ganzes, sondern gerade auch für die Netze, die fachlich eine dauerhafte Netzentgeltbefreiung begründen. Dies gilt es in den nächsten Jahren mit der Bundesnetzagentur zu erörtern.  

Stabile Rahmenbedingungen schaffen

Die aktuell vorherrschende Knappheit von Netzanschlussmöglichkeiten für netzgekoppelte Batteriespeicher und die fehlenden Regelungen für deren prozessuale Einbindung stellen ein erhebliches Hindernis für gesamtwirtschaftlich effektive und effiziente Nutzung dieser Speicher dar. Um die regionalen Vorteile von Speichern optimal zu nutzen, müssen daher dringend Maßnahmen ergriffen werden. Neben einer Beschleunigung des Netzausbaus im Verteilnetz bedarf es klarer Regelungen und stabiler Rahmenbedingungen für den netzdienlichen Einsatz von Speichern, um sowohl Investitionen attraktiver zu gestalten als auch eine effiziente Integration ins Netz zu gewährleisten. Nur so können die Herausforderungen der Energiewende erfolgreich bewältigt werden.

Die dem Blogeintrag zugrunde liegenden Informationen wurden in einer Zusammenarbeit von E-Bridge Consulting GmbH, der WEMAG Netz GmbH und Kyon Energy erstellt:
Deuchert, B.; Kertscher, P.; Kraemer, C.: Herausforderungen und Lösungen für den Netzanschluss von Speichern in Verteilnetzen, Energiewirtschaftliche Tagesfragen vol. 73, no. 11, 2023, S. 23-26

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