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Allgemein
22.8.2022

Wasserstoff vs. Batteriespeicher: Konkurrenten oder Partner in der Energiewende?

Lesedauer:
5 min

Häufig werden wir gefragt, warum wir von Kyon Energy auf Batteriegroßspeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende setzen und nicht auf die Produktion von grünem Wasserstoff, hat doch die Bundesregierung im Juni 2020 eine umfangreiche Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Ein riesiges Investitionspaket in Höhe von 9 Milliarden Euro soll die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben und für eine Elektrolyseleistung von 10 GW bis 2040 sorgen. Doch wenn Wasserstoff tatsächlich das Allheilmittel der Energiewende ist, warum zeigen sowohl Studien des Fraunhofer Instituts als auch Netzentwicklungspläne der Regierung einen großflächigen Ausbau von Batteriegroßspeichern als notwendig an, um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen?

Die Antwort:
Wasserstoff und Batteriespeicher sind keineswegs Konkurrenten. Beide Systeme bringen Vorteile für die Energiewende. Es gilt jeweils zu prüfen, für welche Anwendung die jeweilige Technologie am sinnvollsten eingesetzt werden kann. Um die Energiewende zu meistern, ist es nötig beide Systeme zu fördern und bundesweit auszubauen. Warum dies der Fall ist und in welchen Bereichen Wasserstoff und in welchen Batteriegroßspeicher sinnvoll einzusetzen sind, wird in diesem Artikel beantwortet.

Um beide Techniken zu verstehen und einzuordnen, hier zunächst einmal ein kurzer Exkurs zu den Technologien hinter Batterien, Elektrolyseuren, Brennstoffzellen und Gasturbinen, die ebenfalls zur Verstromung von Wasserstoff genutzt werden können:

Die Batterie bzw. der Akkumulator

Unter Akkumulatoren (kurz „Akkus“) sind Batterien zu verstehen, die nicht nur einmalig genutzt werden können, sondern wiederaufladbar sind. Generell sind Batterien und Akkus sogenannte elektro-chemische Speicher. Die elektrische Energie wird durch eine in der Akkuzelle stattfindende Reaktion in chemische Energie umgewandelt und kann später zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb kürzester Zeit wieder rückverstromt werden.  
Mit der Zeit wurden viele verschiedene technische Konzepte hierfür entwickelt. Aufgrund der guten spezifischen Energie (Energie pro Masse bzw. Energie pro Volumen) werden heutzutage Lithium-Ionen-Akkumulatoren am häufigsten verwendet. So sind in fast allen Mobiltelefonen, Notebooks, Kameras und auch in Elektroautos Lithium-Ionen Akkus zu finden. Auch für unsere stationären Großbatteriespeicher setzen wir auf diese Technologie.  

Die Herstellung von grünem Wasserstoff: Die Elektrolyse

Das Elektrolyseverfahren existiert bereits seit über 100 Jahren und wurde trotzdem bisher für die Wasserstoffherstellung wenig angewandt, da Wasserstoff bis heute größtenteils mittels der sogenannten Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird. Da diese Art der Wasserstoffherstellung sehr CO2-intensiv und damit alles andere als nachhaltig ist, wird Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung hergestellt wird, auch „grauer Wasserstoff“ genannt. Mit dem steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff, also Wasserstoff ohne CO2-Fußabdruck in der Herstellung, erhält die Elektrolyse jedoch eine neue Relevanz. Die für die Elektrolyse nötige elektrische Energie muss hierfür allerdings zwingend von erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Photovoltaik kommen, um wirklich grünen Wasserstoff zu produzieren.  

Bei der Wasserstoffelektrolyse wird Wasser durchs Anlegen einer elektrischen Spannung in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Elektrizität wird damit im Elektrolyseur in Wasserstoff umgewandelt, der dann als Energieträger und für weitere Wasserstoffanwendungen zur Verfügung steht. Das Stromnetz und die Wasserstoffinfrastruktur bzw. das Gasnetz werden durch die Elektrolyse gekoppelt, daher ist auch häufig von „Sektorenkopplung“ die Rede, oder auch von „Power-to-Gas“ also der Kopplung zwischen Elektrizität und Gas.  
Es existieren mehrere Elektrolyseverfahren, welche sich in dem verwendeten Elektrolyten, in der Temperatur und im Betriebsdruck unterscheiden. Je nach Verfahren können mit den Elektrolyseuren Wirkungsgrade von 70 bis 80% (Energiegehalt des erzeugten Wasserstoffs bezogen auf die eingesetzte Elektrizität) erzielt werden.  

Vom Wasserstoff zum elektrischen Strom: Brennstoffzellen oder Gasturbinen

Soll die in Wasserstoff gespeicherte chemische Energie wieder elektrisch nutzbar gemacht werden, so haben sich zwei Verfahren zur Rückverstromung etabliert:

Brennstoffzelle
Die Brennstoffzelle funktioniert im Prinzip umgekehrt wie ein Elektrolyseur und dient der direkten Verstromung der in Wasserstoff gespeicherten chemischen Energie. In der Brennstoffzelle läuft eine kontrollierte elektrochemische Reaktion mit kontinuierlich zugeführtem Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser(-dampf) ab, wodurch ein konstanter Fluss an Elektronen, also ein Stromfluss, entsteht. Wirkungsgrade von Brennstoffzellen können mittlerweile circa 60% erreichen.  

Gasturbine
Gasturbinen sind der aktuelle Industriestandard zur Verstromung von Erdgas, indem das Gas verbrannt und in kinetische Energie umgewandelt wird, mit der ein Generator im Nachgang Elektrizität erzeugt. Moderne Gasturbinen können anstelle von Erdgas auch Wasserstoff verbrennen, wobei genau wie bei einer Brennstoffzelle nur Wasserdampf als Abgas entsteht. Die Wirkungsgrade moderner Anlagen betragen 45-50% und liegen damit leicht unter dem Wirkungsgrad von Brennstoffzellen. Allerdings sind sie günstiger und können teils auch mit einem Gemisch aus Erdgas (bzw. Biogas) und Wasserstoff betrieben werden, sie sind also flexibler in der Anwendung.

Energiespeicherung mittels Wasserstoff oder  Batterien - Die Vor- und Nachteile

Sowohl Wasserstoff als auch Batterien können also eingesetzt werden, um elektrische Energie zu speichern. Beide Technologien können somit einen wichtigen Beitrag für die Versorgungssicherheit und für das Gelingen der Energiewende leisten. Es stellt sich die Frage: Wann sollte Wasserstoff und wann sollten Batterien genutzt werden?

Ein entscheidender Vorteil von Batteriespeichern ist deren sehr hohe Effizienz, denn diese liegt heute bei Lithium-Ionen-Akkumulatoren bei über 95%. Die gesamte Batteriespeicheranlage verfügt inklusive der Wechselrichter und Transformatoren immer noch über einen Wirkungsgrad von etwa 90%. Das bedeutet, dass ungefähr 90% der eingespeicherten elektrischen Energie wieder ausgespeichert und verwendet werden kann. Zum Vergleich: Moderne Benzin- und Dieselmotoren erreichen im Bestfall einen Wirkungsgrad von 45%, im Alltagsbetrieb häufig aber nicht einmal 30%. Die Kombination aus Elektrolyseur und Brennstoffzelle kommt beim Gesamtwirkungsgrad immerhin auf 40 bis maximal 50% und Pumpspeicherkraftwerke erreichen bis zu circa 70%. Um Umwandlungsverluste zu begrenzen, sind sich viele Experten einig, dass alle Anwendungen möglichst direkt elektrifiziert werden sollten, solange dies technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. So kann der benötigte Ausbau an erneuerbaren Energien minimiert werden, da der gesamte Energiebedarf dann geringer ausfällt. Unter anderem aus diesem Grund wird aktuell in der E-Mobilität ein höheres Potential in batteriebetriebenen Fahrzeugen als in brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen gesehen.

Ein weiterer wichtiger Vorteil der Batterietechnologie ist die schnelle Reaktionszeit. Innerhalb von Millisekunden können Batteriespeicher elektrische Energie beziehen und speichern bzw. wieder abgeben und bieten damit eine enorme Flexibilität für das Stromnetz.  
Durch die Kombination aus hohem Wirkungsgrad und sehr schneller Reaktionsfähigkeit bieten Batteriegroßspeicher somit ein optimales Speichersystem, um kurzfristige Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen. Ein häufiger Anwendungsfall ist zum Beispiel der Ausgleich von Tag/Nacht Schwankung von PV-Anlagen. Mit minimalen Verlusten können die Speicher den überschüssigen PV-Strom tagsüber speichern und abends wieder zur Verfügung stellen.  
Die genauen Anwendungsgebiete für die Batteriespeicher sind in unserem Artikel „Batteriegroßspeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende“ beschrieben.

Was geschieht aber in Zeiten längerer Abwesenheit von Wind und Sonne wie es im Winter häufig der Fall ist? Batteriespeicher gelten als effektive kurzfristige Energiespeicher, nicht aber um Wärmepumpen für die Haushaltswärme und die Industrie über diese langfristigen Zeiträume zu versorgen. Hier bietet Wasserstoff ein enormes Potenzial, denn wie heute bereits Erdgas lässt sich auch Wasserstoff in großen Mengen unterirdisch in Kavernen speichern und zwischen verschiedenen Regionen über Pipelines transportieren.
Wo Batteriegroßspeicher also einen idealen kurzfristigen Energiespeicher darstellen, ist es durch die Wasserstoffspeicherung möglich, auch längerfristige Schwankungen, wenn auch mit höheren Verlusten durch einen niedrigeren Wirkungsgrad, auszugleichen.

Darüber hinaus lässt sich Wasserstoff in fast allen Sektoren äußerst vielseitig einsetzen. In der Chemieindustrie zur Herstellung von Dünger und synthetischen Kraftstoffen, in der Stahlindustrie für die Prozesswärme oder zur CO2-neutralen Stahlerzeugung via „Direktreduktion“ und mit der Gasturbine oder der Brennstoffzelle als elektrische Energie für das Stromnetz bzw. für mobile- und Verkehrsanwendungen. Nicht alle dieser Anwendungsgebiete lassen sich direkt elektrifizieren. Hier kann Wasserstoff aushelfen und auch diese Anwendungen über Umwege mit erneuerbaren Energien betreiben, sodass in allen Sektoren eine Dekarbonisierung möglich wird. Allerdings wird für Wasserstoff in naher Zukunft eine komplett neu aufgebaute Infrastruktur benötigt. So müssen neben Elektrolyseanlagen und Brennstoffzellen auch neue Pipelines gebaut und Speichermöglichkeiten für Wasserstoff um- und ausgebaut werden.
Neben der Anwendung als langfristiger Energiespeicher kann Wasserstoff also ebenfalls dazu dienen, die Sektoren, in denen eine Elektrifizierung nur begrenzt möglich ist, zu dekarbonisieren und diese mit grüner Energie zu versorgen.

Wie kann also ein mögliches zukünftiges Energiesystem mit Batteriespeichern und Wasserstoff aussehen? Ein möglicher Ausblick in die Zukunft nach abgeschlossener Energiewende

Wir haben es geschafft! Mit europaweiten Kooperationen können wir unseren gesamten Bedarf an Energie durch Erneuerbare Energien decken. Biogasanlagen, Windenergieanlagen Onshore und Offshore, und Photovoltaik erzeugen ausreichend elektrische Energie. PV-Anlagen auf den Dächern in Kombination mit Heimspeichern decken den Großteil des heimischen Bedarfs und speisen darüber hinaus in das Stromnetz ein. Das weiter ausgebaute Stromnetz liefert zuverlässig elektrische Energie und wird hierfür durch stationäre Batteriespeicher stabilisiert. Kurzfristige Schwankungen, wie zwischen Tag und Nacht oder im Laufe des Tages durch wechselndes Wetter, können effektiv durch die stationären Batteriespeicher ausgeglichen werden.
In Regionen mit kontinuierlichem Überschuss an elektrischer Energie wird darüber hinaus grüner Wasserstoff in großen Elektrolyseuren produziert. Die Industrie wurde weitestgehend elektrifiziert, Großindustrien verwenden zusätzlich grün produzierten Wasserstoff als Prozessgas. Der Gebäudesektor lässt sich durch elektrisch betriebene Wärmepumpen und KWK-Anlagen mit Wasserstoff heizen oder in urbanen Gegenden über ein Fernwärmenetz mit der Abwärme großtechnischer Anlagen. Auch Elektrolyseure und Großbatteriespeicher sind hier integrierbar. Mobile Anwendungen wie Mobiltelefone bis hin zum PKW und Kurzstrecken-LKWs setzen überwiegend auf Akkumulatoren. Der Schwerlastverkehr und wenig frequentierte Regionalzüge können darüber hinaus mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben werden.  

In diesem möglichen Zukunftsszenario sind Batteriespeicher und Wasserstoffspeicher also keineswegs konkurrierende Technologien. Vielmehr wird für eine erfolgreiche Energiewende eine Kombination beider Technologien benötigt. Batteriespeicher dienen als kurzfristige Pufferspeicher sowie zur Netzstabilisierung. Wasserstoff bedient die nicht elektrifizierbaren Anwendungen und überbrückt langfristige Flauten der erneuerbaren Energien.

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