Flexibilität im Stromnetz ist unabdingbar, um die Energiewende erfolgreich zu meistern. Im Kontext des deutschen Energiesystems bedeutet dies, dass sowohl das Stromnetz als auch der Strommarkt die Fähigkeit besitzen, Schwankungen in der Nachfrage oder des Angebots von Strom auszugleichen und so die Stabilität der Stromversorgung und damit die Versorgungssicherheit zu garantieren. Dabei werden sowohl zeitliche als auch räumliche Möglichkeiten zum Ausgleichen von Ungleichgewichten zwischen Erzeugung und Nachfrage berücksichtigt.
Batteriespeicher spielen für die Bereitstellung von Flexibilität eine essentielle Rolle. Trotz der großen Nachfrage werden Speichertechnologien in Deutschland noch nicht ideal ins Netz integriert, wodurch ihre Potentiale nicht komplett ausgeschöpft werden können.
Batteriespeicher sind ein wesentliches Element zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität. Aufgrund ihrer hohen dynamischen Regelbarkeit können Batteriespeicher bereits heute in verschiedenen Anwendungsszenarien zum Einsatz kommen. Sie bilden einen essentiellen Baustein, um Spannungs- und Frequenzregelung von konventionellen, fossilen Must-Run-Kraftwerken zu übernehmen und werden insbesondere für die sehr schnelle Ausregelung der Stromnetze (Primärregelleistung) eingesetzt. Aus netztechnischer Sicht ist der genaue Standort des Netzanschlusses für die Bereitstellung von Regelleistung nicht entscheidend, solange die vom Übertragungsnetzbetreiber bestimmte Menge an Leistung für den Netzbereich eingehalten wird. In Deutschland liegt der Bedarf bei knapp 593 MW, wobei ein Kernanteil von 178 MW (Stand 13.04.2023) immer innerhalb Deutschlands selbst erbracht werden muss. Der Rest kann theoretisch importiert werden. Der Ort an sich spielt hierfür keine Rolle, eine gleichmäßige Verteilung für die Erbringung ist allerdings wünschenswert.
Gleiches gilt auch für den zweiten großen Anwendungsbereich von Batteriespeichern, dem Stromhandel. Bereits seit der Liberalisierung des europäischen Strommarktes vor über 20 Jahren wurde der gesamte Handel von den Netzen entkoppelt. Demnach zahlen Batteriespeicher zu jedem Zeitpunkt und unabhängig vom Standort den festgelegten Einheitspreis innerhalb der deutsch-luxemburgischen Gebotszone und können nur auf zeitlich unterschiedliche Preissignale reagieren. Der Handel mit Strom ist nicht etwa nur ein Geschäftsfeld für Spekulanten sondern erfüllt eine wichtige Aufgabe, denn er führt zu einer Preisstabilisierung und damit auch zu geringeren Stromkosten für die gesamte Gesellschaft (siehe unser Artikel zu „Warum Batteriespeicher die Strompreise senken“). Es ist jedoch zu beachten, dass regionale Knappheiten oder Überschüsse im zonalen Stromsystem innerhalb von Gebotszonen nicht berücksichtigt werden. Nach Europäischer Gesetzgebung dürfen strukturelle Engpässe eigentlich nicht auftreten, damit die Annahme noch gerechtfertigt ist. Dieser Zustand ist gerade in Deutschland, mit seinem schleppenden Netzausbau, aber nicht mehr gegeben.
Auch in Bezug auf die Vermeidung von Netzengpässen kann die vorhandene Flexibilität von Batteriespeichern eine tragende Rolle spielen, um diese in den Gebotszonen zu mindern oder sogar ganz zu vermeiden. So wie Erzeugungsanlagen müssen auch Speichersysteme wie Batteriegroßspeicher für die Redispatch-Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber zur Verfügung stehen. Werden diese strategisch an Netzknotenpunkten platziert, an denen häufig Netzengpässe auftreten, können diese sogar besonders effektiv zur Engpassvermeidung beitragen. Neben normalen Redispatch-Maßnahmen können die Speicher wahlweise ebenfalls als Verbraucher fungieren. So können Batteriegroßspeicher vor Engpässen nicht nur wie Erzeugungsanlagen auf null gedrosselt werden, sondern überschüssig produzierten Strom auch aufnehmen. Ist der Engpass beseitigt, können die Speicher diesen Strom zeitversetzt wieder in das Netz einspeisen.
Gerade in Anbetracht der Dringlichkeit, mit der Flexibilitätsoptionen aktuell im Stromnetz benötigt werden, bieten Speicher damit eine enorm wichtige Ergänzung zum Netzausbau, die sich vor allem deutlich schneller realisieren lässt. Auch aus ökologischen und sozialen Aspekten ist diese Alternative extrem relevant, denn das deutsche Stromnetz ist geprägt von erzeugungsseitigen Engpässen. Das bedeutet, dass bei einer übermäßigen Stromproduktion vermehrt Erneuerbare abgeregelt werden müssen, um einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen an anderer Stelle planbare (und damit fast immer konventionelle fossile) Anlagen hochgefahren werden, um das Defizit auszugleichen. Dieser Vorgang erhöht den CO2-Ausstoß der Stromproduktion und verursacht durch den notwendigen Redispatch der Anlagen auch Kosten, welche wiederum durch die Netzentgelte gesellschaftlich getragen werden.
Damit Batteriespeicher bestmöglich zu einer Integration von Erneuerbaren beitragen und Netzengpässe vermeiden können, ist es notwendig, diese Speicher explizit in die bereits heute belasteten Gebiete zu bauen. Technisch betrachtet können sie hier den größtmöglichen positiven Einfluss leisten und durch eine bessere Integration von Erneuerbaren Anlagen auch den Zubau beschleunigen. Aus Sicht der Regulatorik gibt es allerdings noch einige Hürden zu überwinden, die heute den ganzheitlich sinnvollsten Einsatz von Speichern noch behindern.
Die deutschen Netzbetreiber erkennen zwar die technischen Möglichkeiten des Batteriespeichers für die Netzstützung und für eine verbesserte Integration der Erneuerbaren an, schaffen es aber nicht, auf die Speicher-Flexibilität zuzugreifen. Der Grund dafür lässt sich teils aus dem rein kostenorientierten deutschen Redispatch-Regime ableiten. Der kostenbasierte Ansatz schreibt vor, dass Anlagen, die vom Redispatch betroffen sind, durch den Eingriff wirtschaftlich weder besser noch schlechter gestellt werden dürfen. Diese Logik funktionierte in der Vergangenheit gut, als Stromkosten durch Brennstoffkosten und Arbeitsstunden bewertet werden konnten. Für Speicher ist die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung jedoch deutlich komplexer, da als Entscheidungsgrundlage fluktuierende Opportunitätskosten zu Grunde liegen müssen. Da die Redispatch-Kosten für Speicher schwer zu ermitteln sind, verzichten Netzbetreiber aufgrund von Unsicherheiten bei der Kostenerfassung momentan darauf, diese Ressourcen überhaupt zu nutzen. Gleichermaßen bildet die prozessuale Integration von Speichern in das bestehende Engpassmanagement der Netzbetreiber eine enorme Herausforderung. Aufgrund nicht hundertprozentiger Sicherheiten seitens der Netzbetreiber, dass Speicher sich zu Zeiten höchster Netzlast tatsächlich netzdienlich verhalten, neigen sie dazu, den Netzzugang sehr restriktiv zu gewähren. Aus der Betrachtung von Speichern als zusätzliche Belastung für das Stromnetz resultiert eine der größten Hürden für Speicherprojekte - der Netzanschluss. Netzbetreiber müssen sicherstellen, dass ein Netzbetrieb zu jeder Zeit möglich ist, wodurch Batteriespeicher mit ihren hohen Leistungen an Engpass-gefährdeten Standorten keinen Netzanschluss erhalten. Denn diese Netzknotenpunkte sind zum heutigen Stand logischerweise bereits besonders belastet. Und obwohl Speicher genau hier zu einer wichtigen Entlastung der Netze beitragen könnten, werden sie aus Sicht der Engpassvermeidung oftmals schlicht nicht an der richtigen Stelle platziert, um die sinnvollste zusätzliche, regionale Flexibilität zu ermöglichen.
Mittlerweile stellt auch die Politik deutliche Forderungen für die Bereitstellung von Flexibilität für das Stromnetz unter anderem durch Speicher. Erst am 15. März 2023 positionierte die EU-Kommission diese Forderung sehr eindringlich an alle Mitgliedsstaaten im neuen Vorschlag für die Reform des Strommarktdesigns (siehe auch unser Artikel „EU-Kommission veröffentlicht Vorschlag für Reform des Strommarktdesigns – Die Änderungen und Auswirkungen für Speicher“). Sie messen Speichertechnologien eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Energiewende bei. Damit Ihr Potential dafür nun aber auch angewandt werden kann, müssen bestehende regulatorische Hürden dringend abgebaut werden.
Um das tatsächliche Potenzial der Nutzung von Speichern für das Engpassmanagement zu quantifizieren, in einem Szenario, in dem regulatorische Hürden bereits überwunden wurden, haben wir öffentlich verfügbare Daten zum Engpassmanagement in Netzgebieten von Nord- bis Süddeutschland analysiert. Dabei haben wir festgestellt, dass eine Speicherung an den jeweils betroffenen Netzknoten zu einer erheblichen Reduzierung des lokalen Engpassmanagements führen kann.
In der Analyse wurden für das Jahr 2022 das Einspeisemanagement von vier großen Verteilnetzbetreibern, so wie die Gründe dafür untersucht. Im Anschluss wurde überprüft, inwiefern ein Speicher geholfen hätte, diese Engpässe durch einen entsprechenden Dispatch-Plan zu verringern oder zu verhindern. Zur Analyse des Einspeisemanagements war es notwendig, genauere Informationen über die jeweilige Anlage zu erhalten. Für diese Datenanalyse wurde auf das Marktstammdatenregister zurückgegriffen, welches jedoch trotz Registrierungspflicht weiterhin lückenhaft ist. Dadurch wurden alle Umspannanlagen ausgeschlossen, in deren Einträge zum Einspeisemanagement weniger als 97 % der betroffenen Anlagen zugeordnet werden konnten. In Realität sind also noch deutlich mehr Umspannanlagen von Abregelungen betroffen, als aus der Grafik erkennbar ist, das Bild zeigt nur den Teil, über den eine sinnvolle Aussage auf Basis von öffentlichen Daten möglich ist.
Die Fläche der Kreise ist ein Maß für die abgeregelte Menge Strom. Für die bessere Lesbarkeit wurde eine exponentielle Darstellung anstelle einer linearen Zunahme gewählt, denn in Schleswig-Holstein ist das Einspeisemanagementvolumen an einem Umspannwerk im Durchschnitt um den Faktor 20 höher als in Bayern. Eine Verdoppelung der Fläche im Bild entspricht demnach einer Vervielfachung des Einspeisemanagements, um den Faktor 32. Die Farbe der Kreise gibt an, welchen Anteil an Engpässen durch einen Batteriespeicher mit einer festen, aktuell typischen Anlagengröße von 20 MW / 40 MWh hätte verhindert werden können. Dazu wird der Energiedurchsatz des Speichers auf Grund des Dispatches durch die tatsächlich abgeregelte Energiemenge geteilt. Ein relativer Anteil von α=0,5 bedeutet demnach, dass die Hälfte des Engpassvolumens am Netzknoten in der Simulation durch den Einsatz eines Batteriespeichers verhindert werden konnte. Dabei wird nur der Einfluss der Maßnahme auf das lokal betroffene Umspannwerk betrachtet.
Es wurde festgestellt, dass die Bereitstellung von Speicherung insbesondere zur Unterstützung von Zeiträumen mit kurzen, aber signifikanten Leistungsspitzen eine sehr wirksame Methode darstellt. Hier können Batteriespeicher eine Abregelung der Erzeugungsanlagen konsequent verhindern. Dieser Effekt tritt bereits in vielen Regionen in Deutschland auf, in denen erneuerbare Energiequellen genutzt werden, und wird durch die Spitzenlastabschaltung in der Netzplanung berücksichtigt. Daraus resultiert, dass Stromnetze mit vergleichsweise geringen Erzeugungsengpässen nicht mehr bis zur letzten Kilowattstunde ausgebaut werden. Denn beträgt das Einspeisemanagement weniger als 3% der Jahresenergiemenge, wird es als so gering eingestuft, dass der Netzausbau hier keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative darstellt. In diesen Regionen kann also auch langfristig mit Flexibilitätsbedarf als Alternative zur Spitzenkappung gerechnet werden. Durch den aktuell schleppenden Fortschritt des Netzausbaus ist mittelfristig noch mit einem deutlich höheren Bedarf zu rechnen. Gerade im Süden, wo Engpässe hauptsächlich durch Photovoltaik getrieben werden, ist die relative Wirksamkeit damit, wie in der Grafik sichtbar, besonders hoch. Die grünen Kreise verdeutlichen, dass der Einsatz von Speichern an dieser Stelle zu einer erheblichen Reduzierung oder sogar einer Vermeidung von Engpässen hätte beitragen können.
Im winddominierten Norden ist die relative Wirksamkeit in einigen Regionen dagegen teilweise deutlich geringer. Dies liegt zum einen daran, dass die Stromerzeugung durch Windkraft die Erzeugung aus PV deutlich übersteigt, sodass ein für die Simulation angenommener 40 MWh Speicher hier schneller an seine Grenzen stößt (für alle Netzgebiete wurde von einer absoluten Speichergröße ausgegangen). Zum anderen ist die Erzeugung durch Windkraft auch kontinuierlicher und weniger von Spitzen geprägt.
Trotz des geringeren prozentualen Effekts ist der absolute Nutzen von Batteriespeichern im Norden beim Einsatz zur Vermeidung von Engpässen jedoch sehr hoch und hier auch aktuell sehr sinnvoll.
Die Analyse verdeutlicht nochmals, dass in solchen Regionen mit kontinuierlicher Erzeugung und insbesondere mit chronischem Netzausbauverzug ein zusätzlicher Netzausbau unverzichtbar ist. Der alleinige Einsatz von Speichern wäre an dieser Stelle weniger sinnvoll, da weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen, die einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Systems haben. Ein Batteriespeicher, der ausschließlich zur Vermeidung von Energieengpässen eingesetzt wird, ist derzeit nicht wirtschaftlich und würde daher nicht gebaut werden. Batteriespeicher sollten hier also ergänzend errichtet werden, da der Bedarf an Flexibilität vor allem nach erfolgtem Netzausbau deutlich wird.
Die Abregelung von Anlagen Erneuerbarer Energien aufgrund fehlender Flexibilität im Stromnetz lässt sich durch die Analyse eindeutig betiteln. Die am stärksten betroffene Windkraftanlage wurde, kumuliert über die Abrufzeiten, an insgesamt 75 Tagen im Jahr abgeregelt. Bei der am stärksten betroffenen PV-Anlage waren es sogar 84 Tage und als Spitzenreiter der Biomasse-Anlagen steht eine Anlage, welche an insgesamt 238 Tagen von Einspeisemanagement betroffen war. Insbesondere das Einspeisemanagement bei PV und Windanlagen ist besonders ärgerlich, weil im Gegensatz zur Biomasse kein Brennstoff eingespart wird. Der Strom wird stattdessen einfach nicht erzeugt, obwohl die Möglichkeit in der Situation bestand.
Die sinnvolle Platzierung von Speichern hätte bei den betroffenen Erzeugungsanlagen sowohl einen ökologischen als auch gesamtwirtschaftlichen signifikanten Unterschied machen können.
Aufgrund der mangelnden Flexibilität im Verteilnetz und dem langsamen Fortschritt beim Netzausbau sind Abregelungen von Erzeugungsanlagen derzeit oft die einzige Option, um das Stromsystem im Gleichgewicht zu halten. Flexibilität im Stromnetz zu schaffen, wird daher mit voranschreitendem Anteil an Erneuerbaren immer wichtiger. Speicher bieten hier eine Möglichkeit, schon kurzfristig zu einer Entlastung im Stromnetz beizutragen und somit einen beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren zu ermöglichen. Sie können als Ergänzung zum Netzausbau gesehen werden, weil sie im Vergleich deutlich schneller errichtet werden können. Dabei bieten Batteriespeicher auf Grund ihrer hohen Leistung eine gute Möglichkeit kurzzeitige Spitzen abzufangen. Aufgrund ihrer Flexibilität können sie sich auch nach dem Netzausbau auf andere Geschäftsmodelle konzentrieren. Damit Speicher diese Flexibilität bestmöglich anbieten können, ist es notwendig, sinnvolle Konzepte für eine Umsetzung zu erarbeiten. Aus technischer Sicht spricht schon heute nichts gegen den Einsatz, allerdings werden die Speicher hierfür wie aufgezeigt noch nicht an der richtigen Stelle eingesetzt. Kyon Energy arbeitet darauf hin, dass ein geeigneter regulatorischer Rahmen dafür geschaffen wird, dass mittels Speichern die Abregelung von Erneuerbaren auch in der Praxis verringert und der volkswirtschaftliche Nutzen maximiert werden kann.