Wie in allen aktuellen Medien zu sehen, stellt der Russlandkonflikt das europäische Strom- und Energienetz auf eine harte Probe. Kommt es zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes, ist es vorstellbar, dass nicht nur die Wärmeversorgung bedingt durch eine mögliche Gasknappheit im Winter beeinträchtigt ist, sondern dass auch die auf russisches Gas und russische Kohle angewiesene Stromversorgung vor einer großen Herausforderung steht.
Auch wenn es sich nicht auf den ersten Blick erschließt: Die aktuell beobachteten extremen Strompreisschwankungen und Preisspitzen sind ein Anzeichen dafür, dass die Versorgungssicherheit – noch – nicht gefährdet ist. Denn diese zeigen, wenn auch schmerzhaft, dass der Strommarkt durch entsprechende Preissignale die Deckung der Nachfrage auch in Zeiten von Brennstoffknappheit sicherstellen kann. Die Signale wirken dabei nicht nur auf die Angebotsseite, wo die verfügbare Erzeugungskapazität einen starken Anreiz zu maximaler Stromproduktion aus allen noch bleibenden Quellen erhält. Auch die Nachfrageseite reagiert, und Stromverbrauch wird angesichts hoher Preise in Industrie und Gewerbe, und zunehmend auch in den Haushalten, eingespart. Somit ist es durch die Preissignale möglich, die Versorgungssicherheit, also das Bedienen der Stromnachfrage unabhängig vom Preis, sicherzustellen. In Fachkreisen wird in einer solchen Situation davon gesprochen, dass die „Ressourcenadäquanz“ gegeben ist.
Doch was passiert, wenn zu einer bereits angespannten Situation, wie wir sie aktuell beobachten, weitere Herausforderungen und unvorhergesehene Vorfälle dazukommen?
Wie empfindlich das Stromnetz darauf reagieren kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2006, bei dem durch eine normalerweise routinierte Abschaltung nur einer einzigen Höchstspannungsleitung über die Ems in Norddeutschland das gesamte europäische Stromverbundnetz kurzzeitig aus dem Gleichgewicht kam und in drei separate Netze zerfiel (West-, Nord-Ost- und Süd-Ost-Europa). Anlässlich der Durchfahrt eines großen Schiffs wurde diese Höchstspannungsleitung damals geplant abgeschaltet, doch durch mehrere Fehler in der Berechnung der Konsequenzen aus der Abschaltung kam es zum Systemcrash, bei welchem bis zu 10 Millionen Haushalte für 30-60 Minuten keinen Strom zur Verfügung hatten und auch der Bahnverkehr massiv beeinträchtigt wurde.
Fallen solche Schwierigkeiten mit den aktuell angespannten Brennstoffsituation zusammen, so steht das Stromnetz vor einer echten Herausforderung. Besonders mit dem weiteren wichtigen Ausbau von erneuerbaren Energien für die Energiewende, welche deutlich volatiler und schlechter steuerbar sind als konventionelle Großkraftwerke, ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz wichtiger als je zuvor, sodass es nicht zum Worstcase eines Blackouts, also den kompletten, großflächigen Zusammenbruch der Stromversorgung, kommen kann.
Zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit stehen im Stromnetz verschiedene Instanzen und Eskalationsstufen zur Verfügung, um die Katastrophe eines Blackouts zu vermeiden. Durch die hohe Flexibilität von Energiespeichern können diese in jeder Instanz einen aktiven Beitrag dazu leisten, diese Worstcases zu vermeiden.
Wie oben bereits beschrieben ist der Strommarkt die erste Instanz, um anfallende Differenzen in Angebot und Nachfrage auszugleichen. Durch den Markteinsatz von Energiespeichern können diese bereits in der ersten Instanz einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.
Ist beispielsweise ein Überschuss an erneuerbaren Energien im Netz, sinkt der Preis durch das überschüssige Angebot. Durch dieses Preissignal können die Energiespeicher dann den überschüssigen Strom aufnehmen. Der gegensätzliche Fall trifft ebenfalls zu. Bei einem erhöhten Verbrauch und geringem Angebot steigt der Preis auf dem Strommarkt, wodurch die Energiespeicher den zuvor gespeicherten Strom einspeisen können und so die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen können. Auch einer potenziell gefährlichen Situation, in der eine Knappheit letztendlich zum Absinken der Netzfrequenz bis hin zum Zusammenbruch der Stromversorgung führt, wird damit bereits im Vorfeld entgegengewirkt. Mehr Informationen zur Handel der Energiespeicher am Strommarkt ist in unserem Glossareintrag "Intraday Trading" beschrieben.
So können Energiespeicher unterstützen, kritische Situationen auf dem Strommarkt wie die aktuelle, wo es zu extremen Preisschwankungen kommt, zu entspannen. Die Dämpfung der Preisspitzen erhöht die Versorgungssicherheit, da der Strommarkt mehr Sicherheitsreserven erhält, um die vorhandene Nachfrage jederzeit decken zu können.
Sollte die Reaktionsfähigkeit des Marktes nicht ausreichen oder kommt es zu unvorhergesehenen, kurzfristigen Vorfällen wie dem Ausfall eines großen Kraftwerkes oder zu Instabilitäten im Netzbetrieb, zum Beispiel bedingt durch die oben beschriebenen falschen Berechnungen zur Leitungsauslastung über die Ems, so wird vom Übertragungsnetzbetreiber Regelenergie abgerufen. Regelenergie stellt eine Energiereserve dar, um kurzfristige, ungeplante Schwankungen zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch auszugleichen.
Durch die schnelle Reaktionsfähigkeit einiger Energiespeicher (zum Beispiel Batteriespeicher) und da sie Strom sowohl aufnehmen als auch einspeisen können, bieten diese sich besonders gut zur Erbringung von Regelenergie an. Muss Leistung zur Verfügung gestellt werden, um die Netzfrequenz zu erhöhen, können Energiespeicher den gespeicherten Strom einspeisen. Muss die Netzfrequenz gesenkt werden, kann der Speicher Strom innerhalb kürzester Zeit aufnehmen und speichern.
Auch in der zweiten Instanz können Energiespeicher die Versorgungssicherheit also aktiv erhöhen, indem den Übertragungsnetzbetreibern hochwertige Regelenergie zur dynamischen Netzstützung zur Verfügung gestellt wird.
Gelingt es auch durch den Einsatz von Regelenergie und weiterer Notfallinstrumente nicht, die Schwankungen der Netzfrequenz auszugleichen, so zerfällt das Stromnetz im schlimmsten Fall in sogenannte „Inseln“. So wie bei dem Vorfall im Jahr 2006 entstehen dann im Stromnetz kleinere, voneinander getrennte, Teilnetze. Im besten Fall gelingt es dann, zumindest in einigen dieser „Inseln“ die Netzfrequenz zu stabilisieren. Mögliche Schäden durch die Netzschwankungen an Transformatoren, Leitungen und bei den Verbrauchern können so eingedämmt und die Problemzone, welche das Problem verursacht, isoliert werden.
Da allerdings typischerweise manche Regionen einen Überschuss an Strom produzieren, welcher dann in Regionen mit einer geringeren Stromproduktion transportiert wird, ist der Ausgleich der Netzfrequenzen während des Inselbetriebs eine echte Herausforderung. So hat in dem Beispiel von 2006 das Inselnetz Nord-West-Europa einen Überschuss an Strom produziert und musste kurzfristig Kraftwerke abwerfen, also deren Produktion stoppen, um die Netzfrequenz zu senken und die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Süd-Ost-Europa hatte jedoch ein Stromdefizit, weshalb hier Verbraucher abgeworfen werden mussten, wodurch es zu einer Vielzahl an Stromausfällen bei Haushalten und Industrieanlagen kam.
Energiespeicher können auch in dieser Instanz der Versorgungssicherheit unterstützen. Durch die hohe Flexibilität können sie in den Inselbetrieben die Netzfrequenz der Insel stabilisieren und so Abwürfe von Anlagen und vor allem von Verbrauchern verhindern.
Sollte trotz aller Sicherheitsmaßnahmen der Worstcase eintreten und auch die Netzfrequenz der Inseln nicht gehalten werden können, so kommt es letztendlich zu einem Blackout. Ein totaler Stromausfall der betroffenen Regionen. Alle Erzeugungsanlagen liegen still und kein Verbraucher wird mehr mit Strom versorgt. Nun gilt es kleine Inseln des Stromnetzes wieder aufzubauen, die Netzfrequenz lokal wiederherzustellen und diese kleinen Inseln langsam wieder zu einem Stromnetz zu synchronisieren.
Hier besitzen einige Energiespeicher, insbesondere Batteriegroßspeicher, eine seltene Fähigkeit. Die Schwarzstartfähigkeit. Das bedeutet, die Batteriegroßspeicher können ohne initiale externe Stromversorgung ein Netz mit 50 Hertz Frequenz aufbauen und Verbraucher mit Strom versorgen. Viele der konventionellen Kraftwerke, wie Kohle- oder Gaskraftwerke, können nur mit einer externen Stromversorgung wieder hochgefahren werden. Die Energiespeicher können diesen Kraftwerken also die zum Hochfahren kritische initiale Stromversorgung sichern, wodurch das Netz wieder Stück für Stück aufgebaut werden kann.
Zwar existieren rechtlich noch einige Hürden, bis die Schwarzstartfähigkeit der Energiespeicher voll erschlossen werden kann, doch sollten diese in den nächsten Jahren aus dem Weg geräumt werden.
In allen Instanzen der Versorgungssicherheit können Energiespeicher einen großen Beitrag leisten, das deutsche Stromnetz sicherer und unabhängiger werden zu lassen. Sie können durch den Markteinsatz das Angebot und die Nachfrage in Balance bringen, können durch Zurverfügungstellung von Regelenergie auf kurzfristige und unvorhergesehene Vorfälle reagieren, und sie können bei Inselbetrieb effektiv die Netzfrequenz stabilisieren und somit Stromausfälle verhindern. Selbst bei einem Blackout sind einige Energiespeicher – insbesondere Batteriegroßspeicher - durch ihre Schwarzstartfähigkeit in der Lage, einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten, indem sie dabei mitwirken, das Netz zügig wieder aufzubauen.
Die Energiespeicher bieten also nicht nur eine effektive Möglichkeit das Stromnetz zu flexibilisieren und auf den angestrebten Zielwert von 80% erneuerbare Stromerzeugung im Jahr 2030 vorzubereiten, wie in unserem Artikel „Batteriegroßspeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende" genauer beschrieben, sondern können gleichzeitig ebenso das Stromnetz stabilisieren und somit den Aufbau einer sichern und vor allem unabhängigen Stromversorgung aktiv unterstützen.